Zu einem eindrucks­vol­len Vortrag über die wechsel­vol­le Geschich­te des Elsass zwischen 1871 und 1945 hatte die Deutsch-Franzö­­si­­sche Gesell­schaft (DFG) Anfang Juni 2025 in die Aula des Fürsten­­berg-Gymna­­si­ums einge­la­den. Rund 120 inter­es­sier­te Gäste folgten der Einla­dung, darun­ter viele Freun­de der deutsch-franzö­­si­­schen Beziehungen.

Marie-Noëlle Kreilos, deren Familie aus der elsäs­si­schen Garni­sons­stadt Saver­ne stammt, spann­te in ihrem Vortrag einen persön­li­chen Bogen über die politi­schen Umwäl­zun­gen und kultu­rel­len Spannun­gen, die das Elsass über Jahrzehn­te prägten. Mit einer Mischung aus Sachkennt­nis, Feinsinn und feinem Humor schil­der­te sie, wie sich das Leben ihrer Vorfah­ren unter wechseln­den Herrschafts­ver­hält­nis­sen verän­der­te – und wie diese Brüche bis heute nachwir­ken. Nicole Nivoley, Präsi­den­tin der DFG, stell­te eingangs die Referen­tin Marie-Noëlle Kreilos dem Plenum vor und dankte Schul­lei­ter Mario Mosba­cher für die Gastfreundschaft.

Dreimal wechsel­ten die Elsäs­se­rin­nen und Elsäs­ser zwischen 1871 und 1945 Staats­an­ge­hö­rig­keit, Sprache, Schul­sys­tem und militä­ri­sche Zugehö­rig­keit – ein ständi­ger Wandel, der tief in die Lebens­wirk­lich­keit eingriff. Nach dem Anschluss an das Deutsche Reich 1871 mussten sich viele an eine neue Verwal­tung, eine fremde Sprache und ein anderes Bildungs­sys­tem gewöh­nen. Wer sich nicht anpas­sen wollte, wander­te aus – rund 166.000 Menschen verlie­ßen damals die Region in Richtung Frank­reich oder Algeri­en. Wer blieb, lebte oft mit dem Gefühl, Bürger zweiter Klasse zu sein.

Persön­lich und eindrück­lich schil­der­te Kreilos, wie ihr Großva­ter seine Kinder heimlich auf Franzö­sisch unter­rich­ten ließ, und wie tiefgrei­fend etwa die sogenann­te „Zaber­­ner-Affäre“ von 1913 das Misstrau­en zwischen Bevöl­ke­rung und Militär offen­bar­te. Beson­ders bewegend waren die Erinne­run­gen an ihren Vater, der als Kind Zeuge dieser Ereig­nis­se war und sich später, unter deutscher Besat­zung im Zweiten Weltkrieg, ins franzö­si­sche Exil rette­te – mit allen Konse­quen­zen für seine Familie.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrten viele Elsäs­ser mit nichts als 30 Kilogramm Gepäck aus Deutsch­land zurück. Wieder andere entschie­den sich dauer­haft für ein Leben auf der anderen Seite der Grenze. Die Folge dieser Jahrzehn­te der politi­schen und kultu­rel­len Zerris­sen­heit: ein tiefes Gefühl der Entwur­ze­lung, das in vielen Famili­en bis heute fortlebt.

In einer kurzen Pause trug Frau Töpfner das Gedicht „Das Riesen­spiel­zeug“ von Adalbert von Chamis­so vor – ein lyrischer Blick auf das Elsass, das die Zuhöre­rin­nen und Zuhörer nachdenk­lich stimm­te. Zum Abschluss überreich­te Nicole Nivoley im Namen der DFG Blumen und Wein an Marie-Noëlle Kreilos sowie ein Danke­schön an Schul­lei­ter Mario Mosba­cher für die Unter­stüt­zung. Bei einem kleinen Buffet mit Sekt und Gesprä­chen klang der Abend in gelös­ter, aber nachdenk­li­cher Atmosphä­re aus – ein Abend, der eindrucks­voll zeigte, wie leben­dig und zugleich schmerz­haft europäi­sche Geschich­te in Famili­en­bio­gra­fien fortwirkt.